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62 – Die Göttin   1 comment

Karl schaute zu Brigitte auf. Der Eindruck, den sie auf ihn machte, übertraf noch den, als er sie das erste Mal erblickt hatte. Stark, selbstbewusst und schön. Nun umwehte sie noch eine Aura der Macht. Wie eine Göttin sah sie aus. Es war nicht auszumachen, welchen Anteil daran die Holzfigur hatte, die sie in den Händen hielt, die Arme nahezu im rechten Winkel vorgestreckt. Sie schien mit Nomad zu verschmelzen, das Leuchten des Artefakts auf sie überzugehen. Die Anhöhe, auf der sie stand, befand sich in der Mitte des Dorfplatzes, die Bewohner bildeten in ehrfurchtsvollem Abstand einen Kreis um ihre neue Führerin. Er erinnerte sich an dieses Bild. Er hatte es in den Schriftrollen gesehen.

58 – Funktionieren   Leave a comment

Karl hatte all die unguten Gedanken beiseite gewischt. Sie waren hier. Nun gab es kein Zurück mehr. Er musste seinen Jungs mit gutem Beispiel vorangehen. Jammern brachte sie nicht weiter. Es galt, das Beste aus ihrer Lage herauszuholen. Brigitte erkannte seine wiedererwachte Entschlossenheit. Sie erwiderte seinen Blick und nickte ihm zu.
Ermuntert durch diese Geste sagte er: „Wir sollten das Dorf bald erreichen.“
„Hoffentlich! Ich komme mir fast nackt vor, so vollkommen unbewaffnet.“
Schön wär’s! „Ich auch“, sagte er nur.

55 – In der Mitte   Leave a comment

Lisa trottete Mona hinterher. Sie wäre am liebsten in dieser verdammten Höhle sitzen geblieben, in der sie wieder zu sich gekommen waren. Tom, dessen stampfenden Schritte ihr einen monotonen Rückhalt gaben, hatte eine ganze Weile auf sie eingeredet, dann war ihre ätzende Führerin dazwischen gegangen und hatte rumgezickt. „Soll sie doch bleiben, wo sie ist“, hatte sie gesagt. „Es wird sich schon irgendjemand oder irgendetwas um sie kümmern.“
Sie hasste diese Frau.

Tom dagegen schien es Mona nicht einmal übelzunehmen, dass sie sie in dieses verflixte Land geschleppt hatte. Redan oder wie immer es hieß. Sie drehte sich im Laufen um. Der hatte echt einen Knall. Der lief durch die Landschaft, als wären sie auf einer Urlaubssafari. Gut, anfangs hatte sie auch gestaunt. Das Grün hoher Gräser, das den schmalen Weg säumte, erhielt verschiedenste Farbtupfer durch seltsam geformte Blüten. Ab und an konnte man einen Blick in tiefer gelegene Regionen werfen. Dort erstreckte sich offenbar ein Wald, die Kronen der Bäume von bläulichen Nebeln umflossen. Das sah schon alles toll aus und man kam sich tatsächlich vor, als streife man durch unbewohnte Gegenden Afrikas. Oder vielleicht Südamerikas. Sie war da nicht so bewandert. Aber in ihrer Situation konnte sie dem auf Dauer wenig abgewinnen. Vor allem, weil sie schon seit Stunden durch diese Gegend liefen. Immerhin ging es bergab.

„Kennst du dich hier aus?“ Hoffentlich blieb Mona stehen, um die Frage zu beantworten.
„Nein.“ Sie lief nicht einmal langsamer.
„Wo wollen wir dann eigentlich hin?“
„Wir brauchen Waffen.“
„Waffen? Wozu brauchen wir Waffen?“ Lisas Herz klopfte gleich ein bisschen schneller.
„Weil wir keine haben.“
Tolle Antwort. Mit dieser Person wollte sie nicht einmal in einem gemütlichen Café zusammen am Tisch sitzen. Wie lange würde sie sie wohl noch ertragen müssen? „Du hattest doch eine Pistole.“
„Man kann keine Waffen mit nach Redna bringen.“
Der anhaltende Ärger über diese Person machte es ihr nicht leicht, sich auf den Kern der Sache zu fokussieren. Sie hatte Hunger, die Füße taten ihr weh und nun schien nichts dringlicher, als sich zu bewaffnen? „Sind wir denn hier in solcher Gefahr? Ich dachte, du wolltest uns in Sicherheit bringen. Wozu also die Waffen?“
Mona antwortete nicht. Tom sprang für sie ein: „Wahrscheinlich für den Fall, dass Boss und ihre Männer uns folgen.“
Lisa wartete noch einen Moment. Nicht mal zu einem Nicken oder Kopfschütteln bequemte sich diese Frau. „Hey!“ Sie stieß Mona in den Rücken. „Ist das so?“
Mona blieb nicht stehen. „Boss ist erst einmal unser kleinstes Problem.“

54 – Nähe   Leave a comment

Nie hatte er sich seinen Jungs so nah gefühlt wie jetzt. Sie alle hatten sich dem Orden verschrieben und ihm die besten Jahre ihres Lebens geopfert, ohne es je zu bereuen. Nie waren sie so dicht am Ziel gewesen wie jetzt. Ein Ziel, für das sich jeder Aufwand lohnte. Von dem Moment, in dem sie Redna betreten würden, hatten sie seit Jahren geträumt. Doch niemand war auf den Gedanken gekommen, dass sie es mit nur einer der Geisterfiguren tun würden. Das ähnelte einem Kamikaze-Kommando, nur das gar nicht sicher war, ob sie überhaupt in die Nähe des Angriffsziels kämen.

Karl schüttelte den Kopf. Es hatte ihn bisher nie übermäßig gekümmert, wenn einer seiner Jungs für die Sache auf der Strecke geblieben war. Seltsam. Er betrachtete Brigitte, die gerade den Befehl zum Aufbruch gab. Sie wirkte entschlossen wie eh und je. Ob sie auch nur einen Augenblick innehalten würde, wenn er den Tod fände?

Nie hatte er sich seinen Jungs so nah gefühlt wie jetzt. Sie alle hatten sich dem Orden verschrieben und ihm die besten Jahre ihres Lebens geopfert, ohne es je zu bereuen. Nie waren sie so dicht am Ziel gewesen wie jetzt. Ein Ziel, für das sich jeder Aufwand lohnte. Von dem Moment, in dem sie Redna betreten würden, hatten sie seit Jahren geträumt. Doch niemand war auf den Gedanken gekommen, dass sie es mit nur einer der Geisterfiguren tun würden. Das ähnelte einem Kamikaze-Kommando, nur das gar nicht sicher war, ob sie überhaupt in die Nähe des Angriffsziels kämen.
Karl schüttelte den Kopf. Es hatte ihn bisher nie übermäßig gekümmert, wenn einer seiner Jungs für die Sache auf der Strecke geblieben war. Seltsam. Er betrachtete Brigitte, die gerade das Kommando zum Aufbruch gab. Sie wirkte entschlossen wie eh und je. Ob sie auch nur einen Augenblick innehalten würde, wenn er den Tod fände?

53 – Verlust und Gewinn   5 comments

Tom schaute zu Lisa. Das Energiebündel, das er eben noch kaum hatte zurückhalten können, keinen Mord zu begehen, saß jetzt in sich zusammengesunken in einem dunklen Winkel der Höhle. Nie zuvor hatte Tom ein Bild solcher Hoffnungslosigkeit gesehen.

Er schüttelte sich und wandte sich Mona zu. „Nur, um das noch einmal zusammenzufassen: Um wieder in unsere Welt zu kommen, brauchen wir die Kräfte von Tsieg und Nomad.“
Die Kopfbewegung Monas sollte wohl Zustimmung bedeuten.
„Und Nomad ist in Besitz vom Geisterorden, genauer gesagt von Boss.“
Wieder ein leichtes Nicken.
„Wir müssen also darauf hoffen, dass sie uns folgt und hier wieder mit uns zusammentrifft?“ Diesmal wartete er Monas Reaktion nicht ab. „Was haben wir damit gewonnen, außer einen Ort, an dem keiner von uns sein will und der uns zum lebenslangen Gefängnis werden kann?“
„Zeit.“

51 – Pantoffelheld   Leave a comment

„Sie sind weg, Boss!“
Noch immer verspürte Karl ein wenig Groll, wenn einer seiner Jungs ihn fast schon ignorierte, sobald seine Frau anwesend war. Aber er konnte nichts dagegen unternehmen. Er war nur so lange der Chef, solange Brigitte nicht in der Nähe war. Einer der führenden Köpfe des Ordens und doch nur ein Pantoffelheld.
„Sie hat Tsieg benutzt!“, erklärte sie jetzt.
„Was sollen wir tun?“ Claudia ersparte es ihm, selbst nachzufragen.
„Wir werden Nomad benutzen!“
Brigittes Stimme ließ in keinster Weise einen Widerspruch zu. Dennoch konnte er sich nicht zurückhalten. „Bist du … Wenn wir keinen Erfolg haben, kommen wir nie mehr zurück!“
Er duckte sich, doch Brigitte blieb ganz ruhig. „Dann müssen wir eben Erfolg haben!“

50 – Hand in Hand   Leave a comment

„Runter!“, schrie Mona und warf sich hinter den Tisch.
Tom zog Lisa mit sich. Noch im Fallen bemerkte er, wie Mona Tsieg schnappte und in ihrer Jacke verschwinden ließ. „Sie haben Verstärkung bekommen“, flüsterte er ihr zu.
Mona nickte und kontrollierte ihre Waffe.
„Haben wir euch!“ Die Stimme von Boss.
Die Bäckersfrau kreischte. Ein Schuss fiel. Das Kreischen hörte auf. Dumpf schlug der Körper auf den Fußboden. Jetzt schrie Lisa. Tom hielt ihr die Hand vor den Mund.
„Ihr habt keine Chance! Gebt das Artefakt heraus und ihr seid uns los!“
Mona stieß ihn an. Sie hielt den Finger vor den Mund. Dann streckte sie ihre Hand aus. Was sollte das? Das passte gar nicht zu ihr. Er zögerte. Energisch wiederholte sie die Geste. Er gab ihr die Rechte, hielt mit der anderen weiter Lisa umklammert.
„Wirf die Waffe weg! Dann kommt ihr alle mit erhobenen Händen raus! Sonst holen wir euch!“
Tom sah es jetzt erst: Mona hielt Tsieg in der freien Hand. Sie streichelte die Figur mit dem Daumen. Und sie murmelte irgendetwas. Ihr Griff wurde fester, als wolle sie um jeden Preis verhindern, dass Tom sie losließ. Was war mit ihr? Angst konnte es nicht sein. Nicht bei Mona. Auch wirkte sie vollkommen ruhig, beinahe weggetreten. Ihre andere Hand schimmerte. Nein, nicht die Hand – Tsieg! Wie war das möglich? Eine Holzfigur! Sie schimmerte. Flimmerte. Nicht nur Tsieg, alles um ihn herum. Sterne tanzten. Immer schneller, immer wilder, bis einer nach dem anderen erlosch. Dann war es dunkel!

49 – Drehen und wenden   Leave a comment

Mona sonderte ihre Ungeduld aus allen Poren ab. Selbst Lisa musste sie bemerken. Doch sie schien die Agentin immer noch zu unterschätzen. Stoisch umklammerte sie die blöde Holzfigur. Tom hatte den Unterton in Monas Stimme nicht überhört, als sie „Okay“ sagte. Das war kein Einlenken gewesen. Schützend stellte er sich vor Lisa.
„Geh mir aus dem Weg!“, zischte Mona.
„Sag ihr, worum es geht, dann gibt sie dir das Ding.“
Lisa stand auf, stellte sich neben ihn. Den Blick, mit dem sie ihre Gegnerin anschaute, kannte er. Er hätte an Monas Stelle den Schwanz eingezogen.
„Keine Zeit“, antwortete die nur und zog ihre Waffe. „Stell die Figur auf den Tisch!“
Lisas Kampfesmut war gebrochen. Sie warf das Objekt der Begierde auf den Tisch. Tsieg drehte sich einen Moment und blieb dann liegen. Unscheinbar und hässlich wie er eben war.
Mona ließ sie nicht aus den Augen. Sicherlich eine übertriebene Vorsicht. Routine vielleicht. Langsam näherte sie sich der Figur.
Die Tür der Bäckerei wurde aufgestoßen. Tom erkannte Boss sofort.

48 – Eine herzliche Begrüßung   Leave a comment

Karl breitete die Arme aus. „Hallo, Mäuschen!“
„Spar dir das!“ Brigitte hielt ihn auf Abstand.
Karl räusperte sich verlegen. Es ärgerte ihn, wenn seine Frau ihn vor den Jungs bloßstellte.
„Wir brauchen Verstärkung“, erklärte sie kurz angebunden und wandte sich einem Stadtplan zu, der auf dem Tisch in der hintersten Ecke des Cafés ausgebreitet war.
Karl setzte sich und betrachtete verächtlich den Laptop, an dem sich Claudia zu schaffen machte. Er lächelte. „Ich dachte, du schaffst das allein.“
Der Blick, mit dem Brigitte ihn ansah, machte ihm klar, dass er besser jede weitere Stichelei unterließ. „Sie haben Hilfe. Eine Agentin. Vermutlich von der AMF.“
„Boss“, Claudia schaute vom Computer auf, „wir haben sie!“

41 – Fragen   Leave a comment

Tom schaute sich um. Zum ersten Mal wurde ihm wirklich bewusst, dass sie wieder unterwegs waren. „Wir fahren wieder zu Lisa?“
Mona nickte.
Ihm lag die nächste Frage schon auf der Zunge, doch er stellte sie nicht. Mona ging offenbar davon aus, dass Lisa noch am Leben war. Das erschien logisch. Boss und ihre Leute hätten kaum die Zeit gehabt, eine Leiche zu beseitigen. Auch suchten sie noch immer nach dieser blöden Figur. Vermutlich hatten sie Lisa also nicht angetroffen. Aber sie war der Schlüssel. Dank ihm wussten das auch die Killer. Das Wettrennen hatte längst begonnen. „Sie hätte zu Hause sein müssen“, murmelte er.
„Was?“, fragte Mona.
„Lisa, sie muss so früh noch nicht arbeiten. Außerdem ist Samstag, da hat sie frei. Wo ist sie gewesen?“
„Bei einer Party?“
„Um die Uhrzeit noch? Nein, nicht Lisa.“
„Bei einem Freund?“
Die Frage überraschte ihn. Er schwieg. Doch in seinem Kopf wollte es nicht schweigen.

Tom schaute sich um. Zum ersten Mal wurde ihm wirklich bewusst, dass sie wieder unterwegs waren. „Wir fahren wieder zu Lisa?“
Mona nickte.
Ihm lag die nächste Frage schon auf der Zunge, doch er stellte sie nicht. Mona ging offenbar davon aus, dass Lisa noch am Leben war. Das erschien logisch. Boss und seine Leute hätten kaum die Zeit gehabt, eine Leiche zu beseitigen. Auch suchten sie noch immer nach dieser blöden Figur. Vermutlich hatten sie Lisa also nicht angetroffen. Aber sie war der Schlüssel. Dank ihm wussten das auch die Killer. Das Wettrennen hatte längst begonnen. „Sie hätte zu Hause sein müssen“, murmelte er.
„Was?“, fragte Mona.
„Lisa, sie muss so früh noch nicht arbeiten. Außerdem ist Samstag, da hat sie frei. Wo ist sie gewesen?“
„Bei einer Party?“
„Um die Uhrzeit noch? Nein, nicht Lisa.“
„Bei einem Freund?“
Die Frage überraschte ihn. Er schwieg. Doch in seinem Kopf wollte es nicht schweigen.