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45 – Ein böser Streich   Leave a comment

Lisa war diese Frau unheimlich. Sie wirkte so emotionslos. Ganz anders als alle Frauen, die sie kannte. Und sie schien es auf ihren Tsieg abgesehen zu haben. Tom versicherte ihr allerdings, dass man ihr vertrauen könne. Und im Moment blieb ihr wohl ohnehin keine andere Wahl.

Jetzt kam die Frau aus dem Badezimmer zurück, schüttelte kurz den Kopf und lauschte an der Wohnungstür. Dann zog sie sie langsam auf und lugte, die Waffe im Anschlag, ins Treppenhaus. Lisa konnte leise Schritte von mehreren Personen hören, die die Treppe heraufstiegen. Die Frau – Lisa meinte sich zu erinnern, dass Tom sie Mona genannt hatte – machte die Tür weiter auf, winkte ihnen, den Zeigefinger an die Lippen gepresst. Als sie die Wohnung verlassen und die Tür nahezu lautlos wieder geschlossen hatten, zeigte Mona nach oben. Tom zog Lisa hinter sich her die Stufen hinauf. Auf einen Wink von Mona blieben sie eine Etage weiter oben stehen.

Lisa drängte es, ihre Verwirrung herauszuschreien. Noch immer war ihr nicht klar, was hier für ein Spiel gespielt wurde. War es vielleicht wirklich ein Spiel? Ein böser Streich von Tom? Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm das zutrauen wollte. Er hatte sie doch die ganze Zeit in Ruhe gelassen. Und rachsüchtig war er noch nie gewesen. Andererseits hatte er oft vollkommen verrückte Ideen gehabt. Und er war auch nicht gerade jemand, der sich dabei ernsthaft Gedanken um mögliche Konsequenzen machte.

Sie betrachtete ihren Exfreund. Er wirkte angespannt. Seine Stirn war schweißfeucht. Die Hand, mit der er die ihre umklammert hielt, zitterte. Ein Schauer packte sie und ließ sie nicht mehr los.

44 – Zivilisten   Leave a comment

Sie war nicht mehr dieselbe. Die Jahre der Zweisamkeit hatten sie verändert. Niemals hatte sie das deutlicher gespürt als in diesem Moment. Die nahezu ausweglose Situation erforderte Härte. Sie sollte sich das Artefakt schnappen und die beiden Zivilisten ihrem Schicksal überlassen. Die Gefahr, dass sie alle drei in die Hände der Killer fielen, war einfach zu groß.

Mona blickte Tom an. Dann schaute sie zu seiner verschreckten Ex, die sich noch immer in seine Arme drängte, die kleine Faust um Tsieg verkrampft.

Sie zog ihre Waffe. Lisa zuckte zusammen.
„Wir müssen hier raus!“, sagte Mona ruhig und ging ins Bad, um das Fenster zu checken.

 

42 – Das blöde Ding   Leave a comment

Auf diesen Anblick hatten ihn die Ereignisse der letzten Stunden nicht vorbereiten können. Wie ein verletztes Kaninchen kauerte Lisa zwischen dem Chaos auf dem Boden ihres Flures. Einen Moment erschien es ihm, als seien ihre Augen vor Schreck gefroren.

Dann erst erkannte sie ihn, sprang auf und warf sich ihm an den Hals. „Sie haben alles durchwühlt!“, schluchzte sie und ihre Tränen feuchteten seinen Kragen. „Sieh nur, die Kommode. Wer tut so etwas?“
Er wusste nicht, was er antworten sollte.
Mona drängte sich an ihnen vorbei in die Wohnung. „Haben sie etwas mitgenommen?“
Lisa riss den Kopf herum. „Wer ist das?“, kreischte sie, während Mona unbeeindruckt die Wohnung besichtigte.
„Das ist Mona Heimel.“ Tom streichelte beruhigend Lisas Hinterkopf. „Sie ist eine Agentin von …“ Ihm wurde bewusst, dass ihm gar nicht klar war, für wen Mona arbeitete.
„Polizei?“, fragte Lisa argwöhnisch und sah der Agentin hinterher.
„So ähnlich. Sie kümmert sich um diesen Fall.“
„Fall? Was für ein Fall? Was geht hier eigentlich vor?“
„Sie sind in großer Gefahr!“ Mona kam aus dem Wohnzimmer zurück. „Wo ist das Artefakt?“
Lisa antwortete ihr nicht, sondern wandte sich an Tom: „Wovon redet die?“
„Die Holzfigur, die ich dir mal geschenkt habe.“
„Tsieg?“ Lisa trat einen Schritt zurück und öffnete ihre Faust. Die hässliche Figur kam zum Vorschein.

So viel Wirbel um dieses blöde Ding. Tom konnte noch immer nichts Besonderes an dem Teil entdecken. Es war klein, hatte in seiner gesamten Länge in Lisas zierliche Faust gepasst. Der Kopf nahm fast ein Drittel der Figur ein, mit groben Schnitten waren die Gesichtszüge in das rotbraune Holz geschnitzt. Als Mona danach greifen wollte, wandte sich Lisa ab und presste Tsieg an ihre Brust, als habe ihr die Agentin ihr Baby wegnehmen wollen.

Ein Hauch von Ärger huschte über Monas Gesicht. Dann aber stutzte sie, ging zur Wohnungstür und lauschte. Tom hatte es auch gehört. Die Haustür war ins Schloss gefallen. Doch jetzt war es merkwürdig still. Keine Schritte im Treppenhaus.
Mona richtete sich auf. „Sie kommen!“

41 – Fragen   Leave a comment

Tom schaute sich um. Zum ersten Mal wurde ihm wirklich bewusst, dass sie wieder unterwegs waren. „Wir fahren wieder zu Lisa?“
Mona nickte.
Ihm lag die nächste Frage schon auf der Zunge, doch er stellte sie nicht. Mona ging offenbar davon aus, dass Lisa noch am Leben war. Das erschien logisch. Boss und ihre Leute hätten kaum die Zeit gehabt, eine Leiche zu beseitigen. Auch suchten sie noch immer nach dieser blöden Figur. Vermutlich hatten sie Lisa also nicht angetroffen. Aber sie war der Schlüssel. Dank ihm wussten das auch die Killer. Das Wettrennen hatte längst begonnen. „Sie hätte zu Hause sein müssen“, murmelte er.
„Was?“, fragte Mona.
„Lisa, sie muss so früh noch nicht arbeiten. Außerdem ist Samstag, da hat sie frei. Wo ist sie gewesen?“
„Bei einer Party?“
„Um die Uhrzeit noch? Nein, nicht Lisa.“
„Bei einem Freund?“
Die Frage überraschte ihn. Er schwieg. Doch in seinem Kopf wollte es nicht schweigen.

Tom schaute sich um. Zum ersten Mal wurde ihm wirklich bewusst, dass sie wieder unterwegs waren. „Wir fahren wieder zu Lisa?“
Mona nickte.
Ihm lag die nächste Frage schon auf der Zunge, doch er stellte sie nicht. Mona ging offenbar davon aus, dass Lisa noch am Leben war. Das erschien logisch. Boss und seine Leute hätten kaum die Zeit gehabt, eine Leiche zu beseitigen. Auch suchten sie noch immer nach dieser blöden Figur. Vermutlich hatten sie Lisa also nicht angetroffen. Aber sie war der Schlüssel. Dank ihm wussten das auch die Killer. Das Wettrennen hatte längst begonnen. „Sie hätte zu Hause sein müssen“, murmelte er.
„Was?“, fragte Mona.
„Lisa, sie muss so früh noch nicht arbeiten. Außerdem ist Samstag, da hat sie frei. Wo ist sie gewesen?“
„Bei einer Party?“
„Um die Uhrzeit noch? Nein, nicht Lisa.“
„Bei einem Freund?“
Die Frage überraschte ihn. Er schwieg. Doch in seinem Kopf wollte es nicht schweigen.

39 – Am Boden   Leave a comment

Sie umklammerte Tsieg, hätte ihn erwürgt, wäre er nicht aus Holz gewesen. Sie tat es nicht mit böser Absicht, es war ihr nicht einmal bewusst. Ganz andere Gedanken schossen ihr durch den Kopf, doch Lisa konnte keinen von ihnen fassen. Dass sie Hilfe brauchte, war das Einzige, was ihr einigermaßen klar schien. Tom. Lars. Tom. Lars. Tom … Sie hätte sich gewünscht, es wäre ihr nur ein Name in den Sinn gekommen. Aber irgendwie erschien ihr die Möglichkeit, sich mit dieser Katastrophe an Lars zu wenden, absurd. Was sollte er von ihr denken?

Sie sah sich um. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass jemand glauben könnte, sie sei einfach nur schlampig. Jeder musste sehen, was hier passiert war. Und Lars erst recht. Schließlich hatte sie die Tür nicht aufgebrochen. Sie würde ihn anrufen. Sie brauchte seine Hilfe. Wo hatte sie ihre Handtasche abgelegt? Sie hielt Tsieg in der Hand, also konnte die Tasche nicht weit sein. Was wollte sie jetzt eigentlich mit der Holzfigur? Da war die Tasche ja.

Sie setzte sich auf. Schaute hinüber zu der Tasche. Im Sitzen konnte sie sie nicht erreichen. Sie musste wenigstens hinüberkriechen, wollte sie Lars erzählen, was man ihr angetan hatte. Wer hatte ihr das angetan? Wie konnte man so etwas tun? Sie sackte wieder in sich zusammen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Was sollte Lars schon tun? Sie musste ohnehin die Polizei verständigen. Aber zuerst musste sie die Tür schließen. Nicht auszudenken, wenn sie jemand aus dem Haus so sehen würde: auf dem Fußboden des Flurs kauernd, gleich neben den herausgerissenen Schubladen ihrer Lieblingskommode. Doch mehr als einen tiefen Seufzer brachte sie nicht zustande. Sie betrachtete Tsieg. Wenn er ihr doch nur helfen könnte.

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Sie umklammerte Tsieg, hätte ihn erwürgt, wäre er nicht aus Holz gewesen. Sie tat es nicht mit böser Absicht, es war ihr nicht einmal bewusst. Ganz andere Gedanken schossen ihr durch den Kopf, doch Lisa konnte keinen von ihnen fassen. Dass sie Hilfe brauchte, war das Einzige, was ihr einigermaßen klar schien. Tom. Lars. Tom. Lars. Tom … Sie hätte sich gewünscht, es wäre ihr nur ein Name in den Sinn gekommen. Aber irgendwie erschien ihr die Möglichkeit, sich mit dieser Katastrophe an Lars zu wenden, absurd. Was sollte er von ihr denken?
Sie sah sich um. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass jemand glauben könnte, sie sei einfach nur schlampig. Jeder musste sehen, was hier passiert war. Und Lars erst recht. Schließlich hatte sie die Tür nicht aufgebrochen. Sie würde ihn anrufen. Sie brauchte seine Hilfe. Wo hatte sie ihre Handtasche abgelegt? Sie hielt Tsieg in der Hand, also konnte die Tasche nicht weit sein. Was wollte sie jetzt eigentlich mit der Holzfigur? Da war die Tasche ja.
Sie setzte sich auf. Schaute hinüber zu der Tasche. Im Sitzen konnte sie sie nicht erreichen. Sie musste wenigstens hinüberkriechen, wollte sie Lars erzählen, was man ihr angetan hatte. Wer hatte ihr das angetan? Wie konnte man so etwas tun? Sie sackte wieder in sich zusammen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Was sollte Lars schon tun? Sie musste ohnehin die Polizei verständigen. Aber zuerst musste sie die Tür schließen. Nicht auszudenken, wenn sie jemand aus dem Haus so sehen würde: auf dem Fußboden des Flurs kauernd, gleich neben den herausgerissenen Schubladen ihrer Lieblingskommode. Doch mehr als einen tiefen Seufzer brachte sie nicht zustande. Sie betrachtete Tsieg. Wenn er ihr doch nur helfen könnte.

33 – Tsieg   1 comment

Lisa stand vor der Mülltonne. Warum war immer alles so schwer? Sie betrachtete die unförmige Figur in ihrer Hand. Sie hatte ihr einmal viel bedeutet. Nicht, weil sie so besonders schön war. Sie war sogar ausgesprochen hässlich. Das hölzerne Gesicht eine schwarze Fratze, der dunkle Rumpf ein dickleibiges Ei und die Beine viel zu kurz. Aber sie besaß eine Geschichte. Eigentlich sogar zwei.

Lisa erinnerte sich genau, wie Tom ihr das Ding vom Flohmarkt mitgebracht hatte. „Der Verkäufer war ein seltsamer Vogel, wie man ihn sich in einem Märchenfilm vorstellt. Er trug einen schäbigen Hut mit bunten Bändern dran, machte einen südländischen Eindruck und sprach gebrochen Deutsch. Er sagte mir, das sei Tsieg, der Geist des Übergangs, der seinen Besitzer beschützen und in fremde Welten führen könne.“

Lisa war begeistert gewesen. Sie mochte alles, was mit Mystik und Zauberei zu tun hatte. Mehr noch aber zählte die Geste, denn Tom fand diesen ganzen Märchenquatsch albern. Dass er dennoch an sie gedacht und sich die Erzählungen des Verkäufers so genau eingeprägt hatte, wurde zu ihrer ganz persönlichen Geschichte.

Konnte sie nur neu anfangen, wenn sie das Relikt ihrer alten Beziehung in die Mülltonne warf? Und war es nicht doch noch zu früh? Gerade erst war die schönste Nacht ihres Lebens so unsanft beendet worden. Sie hatte die Frau nicht gesehen, die da an die Tür gepoltert hatte, aber sie hatte sie keifen hören. Sie wollte Lars glauben, dass mit seiner Ex lange Schluss war und sie nicht jeden Morgen an seine Tür pochen und ihn um Hilfe bitten würde. Und irgendwo gab es auch eine leise Stimme in ihr, die es rührend fand, dass er sie nicht einfach wieder nach Hause geschickt hatte.

Aber nun war sie wieder unsicher. Sie steckte Tsieg zurück in die Handtasche und ging ins Haus. Die Wohnungstür war aufgebrochen!

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31 – Keine Spur   Leave a comment

„Sie ist nicht bei ihnen.“
Tom begriff die Worte nicht. Er starrte auf den reglosen Körper in der Nähe des Eingangs. Im Dunkeln vorhin – wie viele Stunden war das jetzt her? – hatte er den Leichnam gar nicht gesehen. Er hatte sich überhaupt keinen Kopf mehr darum gemacht, was mit Piet geschehen sein mochte. „Haben Sie …?“
„Was? Nein, ich habe keine Ahnung, wo sie steckt.“
Tom konnte sich vorstellen, wie dämlich er aussehen musste. „Von wem reden Sie?“
„Ihre Ex. Sie ist nicht bei ihnen.“
Tom schüttelte den Kopf, als müsse er ihn vom Staub befreien. Wieder blickte er durch das Fenster, zwang sich, nicht nach dem Toten zu sehen. Boss saß mit dem Rücken zum Fenster am Tisch und sprach mit ihren beiden verbliebenen Handlangern. Keine Spur von Lisa. „Haben die sie doch noch umgebracht?“ Er sprach die Frage so leise aus, dass selbst Mona direkt neben ihm sie nicht verstanden haben konnte. Ihm wurde kalt.
Mona schwieg. Sie drehte sich vom Fenster weg und schien zu überlegen. Sie bedeutete Tom, er solle ihr folgen. Wollte sie zurück?

Der Hilferuf kam von einem Kind!

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24 – Ex-Freundin   Leave a comment

„Ist das von Lisa?“, fragte Tom, nachdem er Mona zu sich gerufen hatte. Seine Stimme überschlug sich dabei.
„Woher soll ich das wissen?“ Mona wischte mit dem Finger über den Fleck in der Badewanne und betrachtete dann das rote Geschmiere auf der Kuppe.
„Haben sie Lisa … ermordet?“
„Das glaube ich nicht. Noch nicht. Sonst hätten wir hier vermutlich ihre Leiche gefunden.“ Mona wusch sich die Hände. „Aber sie hat ihnen offenbar auch nicht gegeben, wonach sie gesucht haben.“
„Woher wollen Sie das wissen?“ Die Frage schoss ihm unerwartet heftig aus dem Mund. Es machte ihn fertig, mit welcher Ruhe Mona vorging. Es machte ihn fertig, was überhaupt vorging.
„Ganz einfach, niemand hätte die ganze Wohnung durchsucht, wenn sie das Verlangte freiwillig herausgerückt hätte.“
Das leuchtete ihm ein. „Aber wo ist sie jetzt?“
„Vermutlich auf dem Weg zu Ihnen.“
„Zu mir?“
„Dorthin, wo man auch Sie schon gefangen hält. Nur dass Sie dort nicht mehr sind.“ Mona lachte. „Kommen Sie!“
Tom war gar nicht zum Lachen zumute. Er blieb stehen. „Wissen Sie, wie spät es ist?“
Mona schaute auf eine Armbanduhr, die Tom für ihr Handgelenk deutlich zu klobig fand. „Gleich um sechs.“
„Dann muss ich jetzt nach Hause. Die Arbeit ruft.“ Er hob entschuldigend die Schultern.
Mona starrte ihn einen Moment an, bevor sie mit einem verächtlichen Schnauben den Kopf schüttelte. „Sie sind wirklich selten dämlich. Glauben Sie wirklich, Sie können jetzt einfach wieder zur Arbeit gehen und alles vergessen? Eigentlich könnte es mir ja egal sein, aber Sie sollten wissen, dass Sie jetzt auf einer Abschussliste stehen. Und wenn Ihnen das schon nichts bedeutet, sollten Sie sich wenigstens Sorgen um Ihre Freundin machen.“
„Ex-Freundin“, warf Tom vorsichtig ein, ohne große Hoffnung, das würde in den Augen Monas irgendetwas ändern. Nicht einmal sein eigenes Gewissen konnte es beruhigen.
„Sie sind ein Arsch! Und Sie können mir glauben, dass ich nichts lieber täte, als Sie hier stehen zu lassen. Aber Sie werden mir nicht von der Seite weichen, bis ich nicht das Artefakt habe.“ Sie hob ihre Pistole. „Als Alternative lasse ich nur Ihren Tod gelten.“

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23 – Wassertropfen   2 comments

Tom fluchte. Nicht nur wegen der Schmerzen – sein Knie tat höllisch weh -, vor allem auch, weil er sich seine Dämlichkeit eingestehen musste. Schlimmer noch: Spätestens jetzt wurde sie auch für Mona mehr als offensichtlich. Während er sich hochrappelte, genügte der kurze Moment, bevor er beschämt zu Boden sah, um die Mischung aus Belustigung und Ärger in ihrem Blick zu lesen.
„Hatte ich nicht gesagt, Sie sollen warten, bis ich rufe?“ In ihrer Stimme war keinerlei Belustigung zu hören.
„Ja, ja, ich hab’s verstanden. Bin ja auch schon zur genüge dafür bestraft worden.“ Er trat gegen die Schublade, die ihn zu Fall gebracht hatte.
„Möglicherweise wäre ein Schuss zwischen die Augen die gerechtere Strafe gewesen.“ Sie drehte sich um und überprüfte den Rest der Wohnung. Allerdings gab sie sich jetzt keine Mühe mehr, ihre Anwesenheit zu verbergen.
Ein bisschen Mitgefühl würde ihr auch nicht schlecht zu Gesicht stehen. Tom rieb sich das Knie. Er humpelte ins Bad und schaltete das Licht an. Er nahm sich einen Waschlappen, der auf dem Boden lag, hielt ihn unter den Wasserhahn und ließ ihn sich mit kaltem Wasser vollsaugen. Unbeholfen stakste er über den scherbenübersäten Fußboden, setzte sich auf den Badewannenrand und krempelte sein Hosenbein hoch. Wie konnte man wegen einer blöden Holzfigur so einen Aufriss veranstalten? Er legte den Lappen aufs Knie. Die Kühlung tat gut, brachte Entspannung und machte den Kopf frei. Die arme Lisa. Kurz nach der Trennung hatte sie sich diese Wohnung genommen. Ihre frühere gemeinsame hätte sich keiner von ihnen lange leisten können. Tom war noch nie hier gewesen. Hatte sie nur einmal bis zur Wohnungstür begleitet. Durchaus hoffnungsvoll. Doch schon im Treppenhaus hatten sie sich wieder gestritten. Sonst hätten sie vielleicht hier in diesem Bad mit dem Vorspiel begonnen. Oder sie hätten in Erinnerung an alte Zeiten zusammen ein Bad genommen. Er schaute sich um. „Scheiße!“ Er sprang auf, ließ den Lappen fallen. Der Schmerz fuhr mit doppelter Gewalt in sein Knie zurück.
In der Wanne glitzerten Wassertropfen. Wie gebannt starrte Tom auf den roten Fleck, der sich am Abfluss gebildet hatte.

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22 – Hinter dem Bett   1 comment

Die Tür war aufgebrochen und stand einen Spalt breit offen. Mona hielt Tom zurück, der drauf und dran war, in die Wohnung zu stürmen. „Sind Sie sicher, dass die Einbrecher schon fort sind?“, flüsterte sie. Um einen sarkastischen Tonfall musste sie sich gar nicht erst bemühen.
Er antwortete nicht, aber sie sah ihm an, dass es ihm peinlich war.
Sie zog ihre SP und schmunzelte, als sie sein Erschrecken sah. „Bleiben Sie stehen, bis ich Sie rufe!“ Die Pistole im Anschlag schob sie die Tür weiter auf und betrat die Wohnung Lisa Altmanns. Schon im Flur waren die Schubladen aus einer eher geschmacklosen Kommode gerissen. Mona musste sehr vorsichtig sein, um nicht über eine von ihnen zu stolpern. Langsam näherte sie sich dem ersten Raum. Der Vorhang war gewaltsam zur Seite gerissen worden, seine Verankerung hatte sich auf der einen Seite gelöst. Es roch nach Parfüm. Mona ahnte, dass sie sich dem Badezimmer näherte. Sie spähte hinein. In dem kleinen Raum glitzerten die Scherben des Spiegels und diverser Parfümfläschchen auf dem Fußboden. Eine der bräunlichen Duschkabinenwände war gesprungen.
Sie schob sich weiter zum nächsten Zimmer. Die Tür knarrte, als sie sie langsam öffnete. Über den Lauf der Halbautomatik schaute sie sich um. Das Schlafzimmer. Die Kissen und Decken auf dem Doppelbett waren durchwühlt, der Kleiderschrank stand offen, sein Inhalt zu großen Teilen auf dem Fußboden verstreut. Zur Sicherheit schaute sie hinter das Bett. Dann ging sie in die Hocke und beugte sich vor, um auch unter dem Bett nachzusehen.
Im Flur tat es einen lauten Knall.

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